Interview mit Merab Ninidze

Merab Ninidze ist ein georgischer Schauspieler. Er hat unter anderem die Hauptrolle im Film  „Nirgendwo in Afrika“, der im Jahr 2003 in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, gespielt. Sein Resumé erstreckt sich jedoch über noch viele weitere Produktionen und jedes Jahr werden seine Filme auf den renommierten Festivals der Welt gezeigt. Ninidze hat dabei in Projekten wie Homeland, McMafia, Tatort und Doktor Ballouz mitgespielt. Seit 01.07.2021 ist nun sein neuer Film „Der Spion – The Courier“ mit Benedict Cumberbatch in den deutschen Kinos zu sehen – ein absolutes Muss für Filmliebhaber.

 

Der Regisseur Dominic Cooke erzählt in seinem neuesten Werk die wahre Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft zwischen einem Geschäftsmann aus England und einem sowjetischen Oberst aus Russland. Das Ganze geschieht in einer Zeit, als die Welt am Rande eines Atomkrieges steht. Welche Facetten an der Rolle von Penkowski ihn fasziniert haben, wieso er die Rolle von Stalin abgelehnt hat, welches Buch er Benedict Cumberbatch geschenkt hat und ob er selbst mit dem Spion befreundet wäre, erzählt uns der Schauspieler im Interview.

 

 

Ich habe mir den Film angesehen und fand ihn sehr gut. Sie spielen die unterschiedlichsten Rollen in verschiedenen Ländern in mehreren Sprachen. Aber die Rolle von Stalin haben Sie abgelehnt. Was hat Sie also am Film „Der Spion – The Courier“ gereizt und wieso genau die Rolle von Oleg Penkowsi, der wichtige politische und militärische Informationen ins Ausland lieferte?

 

Das sind ja zwei unterschiedliche Figuren. Stalin wollte ich prinzipiell nicht spielen, weil ich auch Georgier bin. Man muss das im historischen Kontext sehen, es handelt sich um einen Punkt, dem ich nicht positiv gegenüberstehe. Das Projekt war dabei für mich nicht differenziert genug an die Personalie herangegangen, sondern es war eine Art Versuch ihn ohne Reflexion glorifizieren zu wollen.

 

Und Penkowski gilt als der größte Verräter in der Geschichte der Sowjetunion. Heute ist er eine Horrorfigur in der sowjetischen Geschichte. Er stellt eine gespaltene, interessante historische Figur dar und als ich zum Casting kam, kannte mich der Regisseur bereits von einer BBC-Serie und wollte mich kennenlernen. Ich sollte erst für eine kleine Rolle vorsprechen, der Regisseur sagte mir dann aber: komm morgen nochmal vorbei, ich will dich in der Rolle des Penkowski ausprobieren. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich kannte das Drehbuch und die Rolle von Penkowski sprach mich an, das fühlte sich ein bisschen wie in einem Märchen an. Ich dachte zuvor, dass die Rolle vorrangig für amerikanische Schauspieler geschrieben worden war. Das war bis dahin auch tatsächlich ein Wunsch der amerikanischen Produzenten gewesen, die Rolle mit einem großen Weltstar neben Benedict Cumberbatch zu besetzen. Aber der Regisseur hat sich durchgesetzt. Er hat auf seine Art dafür gekämpft mir die Möglichkeit zu geben für die Rolle vorzusprechen und es hat funktioniert. Das war eine kleine Bestätigung, dass auch internationale Schauspieler, die nicht akzentfrei sprechen, mehr Möglichkeiten bekommen sich im Filmgeschäft beweisen zu können.

Ich komme auch aus Georgien. Jedoch muss ich zugeben, dass ich die Geschichte von Penkowski vorher gar nicht kannte…

 

Ich auch nicht, ehrlich gesagt. Ich habe dann mehr recherchiert, als ich das Drehbuch bekommen habe.

 

Sie sind gleich in den ersten Szenen des Films zu sehen, dessen Premiere beim Sundance Filmfestival im Januar 2020 war. Sie mögen Freunde und Familie sehr und auch für Penkowski bedeutete die Familie sehr viel. Er träumte davon mit der Familie in die Vereinigten Staaten auszuwandern und er machte es auch für seine Familie. Im Film geht es um die außergewöhnliche Freundschaft zwischen zwei Menschen. Wären Sie selbst mit ihm befreundet?

 

Das ist eine interessante Frage. Ich habe mir sehr oft vorgestellt wie es wäre, wenn man ihm begegnet wäre. Worüber hätte man mit ihm gesprochen: über Fußball, Musik oder Filme? Ich weiß es nicht. Aber so wie er im Drehbuch geschrieben ist, hätte ich diesen Mensch interessant gefunden.

 

Aber wie er tatsächlich im wirklichen Leben war, ich weiß nicht, ob ich zu ihm so viel Sympathie empfunden hätte. Von dem was ich gelesen und gesehen habe, war er ein sehr komplizierter, verschlossener Mensch, der auch mit der eigenen Familie eigentlich nicht so verbunden war wie wir das im Film zeigen.

 

Im Film ist Penkowski leicht idealistisch gezeichnet. Er glaubt, dass er die Welt ändern kann, wie zum Beispiel Edward Snowden oder die Gründer von Wikileaks. Er war von dieser Idee besessen. Ich sehe das so: was macht man, wenn das System unerträglich wird und du denkst: „wenn ich das nicht mache, macht kein Mensch irgendetwas dagegen“? Wenn du so eine Position hast wie er, die Möglichkeit durch seine Verbindungen in politischen Kreisen aktiv zu werden und über seine hohe militärische Stellung diese Hochrisikospiele zu spielen.  Er hat wirklich alle Dokumente an Amerika weiter gegeben. Mit ihm befreundet zu sein wäre wohl übertrieben, aber mich würde es schon interessieren mich mit so einem Menschen zu unterhalten, mit ihm ein Glas Wein zu trinken.

Im Film sieht man, dass Penkowski die Kunst mag. Sie mögen ja die Kunst der Filmproduktion. Wie Sie einmal in einem Interview gesagt haben, herrschte im Kommunismus das Gefühl von Gleichgültigkeit: „mir ist alles egal“. Und die Filmproduktion hatte damals eine besondere Funktion, eine Art Bildungsfunktion. Als Sie in der Schule waren, haben Sie gerne Filme im Kino angeschaut. Welche Funktion könnte die Filmproduktion in unserer Zeit für die Menschen erfüllen?

 

Wir brauchen alle Vorbilder, mit denen man sich identifizieren kann. Im echten Leben haben wir nicht wirklich viele davon und viele sind nicht echt, sondern entstammen der Kunst. Als Kind habe ich mir dank meiner Oma unter anderem Musicals angeschaut, die liebe ich heute noch. Das ist eine besondere Art von Film, die ein bisschen Hoffnung gibt, obwohl das Leben nicht immer perfekt ist. Ich wünsche mir, dass ein guter Film oder eine Filmfigur in den Zuschauern etwas auslöst, womit sie sich identifizieren können. Und manchmal prägen ein Film oder eine Figur eine neue Maxime, wie sie sprechen, träumen oder Entscheidungen treffen. Dann denkt man: so will ich auch sein oder so will ich handeln, so will ich im echten Leben sein. Gute, tiefgehende Filme, die uns ansprechen, bewirken etwas in uns und damit können wir einen Schritt vorwärts machen, unsere Wünsche verwirklichen oder keine Angst mehr zu haben, das zu sein, was wir sind. Dann geht das Ganze nicht spurlos an uns vorüber und kann uns als Vorbild dienen.

 

Sie haben das Land Anfang der Neunziger verlassen. Als Sie ihre erste Rolle bekommen haben, konnten Sie kein Deutsch sprechen. Aber Sie haben das Vertrauen bekommen, dass Sie es wert sind. Jetzt spielen Sie in einem Hollywood-Film mit  Benedict Cumberbatch. Wie waren die Dreharbeiten mit ihm? Wusste er etwas über die Sowjetunion?

 

Er wusste anfangs nicht viel. Ich habe ihm dann mein Buch von Svetlana Alexievich geschenkt, weil er zahlreiche, politische Fragen hatte. Es ist ein historisches Buch über die Zeit der Sowjetunion, welches mich persönlich sehr beeindruckt hat. Er hat mir dann im Gegenzug ein anderes Buch zurück geschenkt. Wir haben diese Bücher täglich gelesen und viel miteinander gesprochen. Benedict ist ein offener, bodenständiger Mensch. Er ist sehr talentiert, der dir auch zuhört, dir zuschaut, gerne diese Mentalität und Power zurück gibt, was für Schauspieler so wichtig ist. Es war Teamwork. Ich würde gerne wieder mit ihm spielen (lacht).

 

Sie sind auch sehr talentiert. Wie die jungen Leute in Georgien sagen: „Sie sind cool“ und ich wünsche Ihnen viel Erfolg für den Film.

 

Vielen Dank für diese Worte! Mein erster Film wurde im Jahr 1984 gedreht. Wenn die jungen Menschen mich heute noch als cool empfinden, dann brauche ich keine andere Art der Bestätigung im Leben.

 

Interview: Sophia Katamadze

Bildmaterial: FilmPressKitonline

 

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Netflix, HFF-Absolventen, Premiere in München

In der dritten Folge der Sendung My Movie Time habe ich mich mit dem Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten Alireza Golafshan getroffen. Er ist ein HFF-Absolvent und gilt als ein Juwel der Filmbranche. Sein Regiedebut  für den Kinofilm  die Goldfische steht auf Platz drei nach Der Fall Collini in der Liste der erfolgreichsten deutschsprachigen Filme 2019. Wir haben unter anderem über Netflix, deutsche Filme und seine Zukunftspläne gesprochen.

Als einen bekannten Drehort habe ich diesmal  das Kloster Eberbach in Eltville am Rhein ausgewählt. Hier wurde der Großteil der Innenaufnahmen für den Film Der Name der Rose  mit Sean Connery gedreht. Und was verbindet das Kloster mit der erfolgreichsten Serie aller Zeiten,  The Game of Thrones?  Das werdet Ihr in der Sendung sehen.

Den Film Der Name der Rose hat Bernd Eichinger, der Absolvent der HFF München, produziert. Er war ein deutscher Produzent, Drehbuchautor und Regisseur. Die unendliche Geschichte, Der bewegte Mann, Ich und Er, Das Parfum – die Geschichte eines Mörders, Der Baader Meinhof Komplex, oder auch Der Untergang, sind nur einige Beispiele von Filmen, die die weltweite Popularität von Bernd Eichinger im Laufe der Jahre festigten. Bernd Eichinger starb unerwartet am 24. Januar 2011 in Los Angeles. Er wurde zu einer Legende des Films.

Der Name der Rose ist Teil der Filmgeschichte geworden. Die Dreharbeiten des Originalfilms im Kloster Eberbach begannen im  November 1984. Zahlreiche Gäste kommen aus aller Welt, um den Drehort zu besuchen. Es gibt dort die Klosterführungen zu den Dreharbeiten, die die Klostergeschichte mit Anekdoten und Informationen rund um die Dreharbeiten verbinden.

Zusätzlich zu den bestehenden Themenführungen und regelmäßigen Vorführungen des Originalfilms bringt die neue Videoinstallation Besucherinnen und Besuchern den Alltag am Set mittels Zeitzeugenkommentaren nahe: So kann man auf den Spuren von Regisseur Jean-Jacques Annaud, Produzent Bernd Eichinger und Filmstars wie Sean Connery, Christian Slater und Ron Perlman im Kloster Eberbach wandeln.

Vor ein paar Tagen war ich in München bei der Premiere des Films Benjamin Blümchen. Und wisst Ihr, wer der Regisseur des Films ist, natürlich ein Absolvent der HFF München, Tim  Trachte 🙂 . Der Film läuft ab 1. August in den Kinos. Mehr zum Film in der Sendung.

Viel Spaß beim Anschauen!

 

 

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Interview mit Jella Haase und Gizem Emre

Seit dem 12. Oktober ist der Film Fack ju Göhte 3 in den Kinos zu sehen. Mir hat der dritte Teil besonders gut gefallen, weil dort wichtige Botschaften an die Gesellschaft versteckt sind. Ich hatte die Möglichkeit, ein Interview mit Gizem Emre und mit Jella Haase zu führen. Sie sind sehr nette Interviewpartner. Wir haben unter anderem über Familie, Freundschaft und den Mut im Leben gesprochen.

Erst einmal einen herzlichen Glückswunsch zu dem Film. Ich habe ihn schon mal angesehen. Im Film greift der Regisseur Bora Dagtekin wichtige Themen auf und zeigt, dass man Ziele im Leben haben muss und dafür richtig hart kämpfen, egal was die anderen von dir denken und über dich sagen. Leider wird Chantal im Film nicht von Ihrer Familie unterstützt. Aus Ihrer Erfahrung: Wie wichtig ist es, wenn die eigene Familie zu dir steht und an dich glaubt?

Jella: Es ist ganz essenziel, dass man den Menschen vertraut und sich den Mut zuspricht, sich frei zu entwickeln. In meinem Fall bin ich total glücklich. Ich habe tolle Eltern, die immer an mich geglaubt haben. Man macht  die Kinder  am stärksten, indem man ihnen vertraut.

Die guten Freunde sind auch sehr wichtig. Gizem, im Film sind Sie die beste Freundin von Chantal, und als sie eine Rede im Sportsaal hält, sind Sie stolz auf sie. Sie haben einmal gesagt, dass Ihr erster Film Fack ju Göhte, noch nicht einmal im Kino war, als Sie manche Freunde verloren haben. Ich habe auch die gleiche Erfahrung gemacht, als ich plötzlich angefangen habe, Schritt für Schritt meine kleinen Ziele zu erreichen, dass manche Menschen nichts mehr mit mir zu tun haben wollten oder aber versucht haben, mich klein zu machen. Aber genau dann sieht man, wer deine richtigen Freunde sind, oder?

 

Gizem: Damals  habe ich alle meine besten Freundinnen verloren. Das war nicht, weil  Fack ju Göhte raus gekommen ist, sondern weil ich den Weg gegangen bin, einfach im Film zu sein.  Das ist manchmal im Leben so. Man muss sich von Menschen lösen, die einem nicht so gut tun, weil die einen auch runterziehen können. Aber umso wichtiger ist, dass man eine starke liebevolle Familie um sich hat. Wir beide haben das Glück, dass wir richtig tolle Eltern und eine wirklich liebevolle Familie haben…

Jella: ich liebe Gizems Familie auch …

Gizem: Und ich die Familie von Jella…

Wohnen sie in Berlin in der Nähe voneinander?

Gizem: Früher hat Jella in der Nähe von mir gewohnt. Obwohl Berlin groß ist, trifft man sich irgendwie immer wieder zufällig.

Jella: Ja, wir haben uns zufällig beim Italiener getroffen.

Gizem: Ja, das stimmt.

Eigentlich muss man nicht unbedingt in der Nähe von einem Freund oder einer Freundin wohnen. Gizem, wenn ich mich nicht irre, wohnt Ihre beste Freundin im Ausland. Und trotzdem haben Sie ein enges Verhältnis zu ihr…

Gizem: Ja, sie studiert schon seit fast anderthalb Jahren Medizin im Ausland. Man muss nicht jeden Tag miteinander reden, um zu wissen, dass da jemand ist, der immer für dich da ist und umgekehrt auch. Bei der Freundschaft mit  Jella ist es ähnlich.

Ich habe ein paar Interviews von Ihnen gelesen. Dort bekommen sie ständig die Frage gestellt, ob Sie einen Plan B haben, falls das mit der Schauspielerei nicht mehr klappt. Im Film sieht man auch, dass man nicht unbedingt einen Plan B haben muss. Man muss einfach durchhalten und für seine Ziele kämpfen.  Ist es wirklich im Leben so, oder muss man immer einen Plan B haben?

 

Jella: Du hast (zu Gizem gewandt) einen coolen Gedanken ausgesprochen…

Gizem: ich habe nicht einmal einen Plan A, ich mach einfach…

Jella: Ja, eben. Man muss sich trauen, bewusst ins Leben zu gehen. Da passiert schon alles, wie es passieren soll. Ich fand das lustig: Letztens hat eine Freundin von mir gesagt, „Mit der Uni hätte ich mich an den Plan gehalten“. Manchmal gibt es so Pläne innerhalb eines Systems, an die man sich halten muss, aber ich hätte nämlich jetzt keinen Plan. Man muss einfach suchen.

Heute, in unserer Generation, habe ich irgendwie das Gefühl, dass wir Angst haben, etwas zu riskieren. Manchmal sind wir nicht mit unserem Leben zufrieden. Nur wollen wir  daran nichts ändern. Haben sie auch das gleiche Gefühl, oder ist es alles chillig, und wir sind alle glücklich?

Jella: Nein, auf keinen Fall. Ich glaube, es gehört  ganz viel Mut mit dazu, dass man sich hinterfragt. Nun, ich kenne das von mir auch, dass ich Dinge laufen lasse, statt mich zu fragen „Ist es so gerade gut, wie es ist?“ Es gehört auch eine Menge Mut dazu, dein Leben in die Hand zu nehmen. Letztendlich ist es ganz ganz wichtig, dass man die Entscheidung treffen muss, die vielleicht nicht  so bequem ist, aber  dich weiter bringt und glücklich macht. Es ist total bescheuert, wenn  man die Sachen so aushält die ganze Zeit, weil das ja nur schlecht ausgehen kann.

Viele Leute, auch in unserer Generation, schauen gerne Fernsehserien. Wie ist es bei Ihnen?

Jella: Ehrlich gesagt, Ich habe sehr wenig Zeit, um Serien zu gucken. Ich bin gar nicht so ein Serien-Junkie. Was ich angeschaut habe, war Narcos über Pablo Escobar, das fand ich ziemlich cool. Ansonsten bin ich voll der Mediathek-Freak. In der Arte-Mediathek schaue ich mir Dokus ganz viel an. Ich mag total gerne die historischen Dokus.

Chantal macht sehr gerne Interviews im Film. Welche Frage hätte sie Gizem gestellt?

Warum bist du so wunderschön? Was ist das Geheimnis deiner Figur?

Autorin: Sophia Katamadze

Bildmaterial: Constantin Film PresseService

Dieser Beitrag erschien zuerst im Cazeblog 07.11.17

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Interview mit dem Oscar-Produzenten Max Wiedemann

 

Als ich vor ein paar Jahren nach Deutschland kam, war der erste Film, den ich im Rahmen meines Sprachkurses gesehen habe: Das Leben der Anderen. Uns sagte die Lehrerin im Deutschkurs, dass der Film von zwei jungen deutschen Produzenten gemacht wurde, und einen Oscar bekommen hat. Mich hat nicht nur die Geschichte des Films beeindruckt, sondern auch die Erfolgsgeschichte der zwei jungen Filmemacher, die ein Risiko eingegangen sind und das Projekt vorfinanziert haben, obwohl viele Zweifel daran hatten.

Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass ich ein paar Jahre später ein Interview mit Herrn Max Wiedemann, einem der Produzenten der Produktionsfirma Wiedemann und Berg, führen würde.

 

Herr Wiedemann, wenn man die Filme der Produktionsfirma Wiedemann und Berg anschaut, hat man den Eindruck, dass sie gerne etwas riskieren und neue Wege gehen. Ich habe Freunde aus verschiedenen Ländern und als sie den Film Who Am I angesehen haben, konnten sie kaum glauben, dass es ein in Deutschland produzierter Film ist. Und mit dem Film Willkommen bei den Hartmanns mussten sie ein Risiko eingehen. Ich kann mich daran erinnern, dass der Film noch nicht einmal in den Kinos war und schon heftig kritisiert wurde. Warum wollten Sie das Projekt mit der Flüchtlingsthematik drehen?

 

Grundsätzlich, wenn die Zuschauer ins Kino gehen, erwarten sie etwas Neues. Das heißt, man betritt als Filmproduzent zwangsläufig Neuland, wo es keine Statistiken oder Erfolgsfaktoren gibt, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann. Wenn man Kinofilme produziert, ist man in der Pflicht, ein Risiko einzugehen. Ohne Risiko gibt es da selten Erfolg.

 

Was den Film Willkommen bei den Hartmanns konkret angeht, lag das Flüchtlingsthema natürlich in der Luft. Das war aber gar nicht der Ausgangspunkt der Idee. Wir haben nicht gesagt „Hey, lasst uns eine Flüchtlingskomödie drehen“ und uns dann irgendein Konzept dazu ausgedacht. Simon Verhoeven, unser langjähriger Weggefährte, hatte die wundervolle Idee eine Familie in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Eine Familie, in der die gegensätzlichen Haltungen ihrer Mitglieder aufeinandertreffen und die auf in Probe gestellt wird, als sie einen Flüchtling aufnimmt. Der Film liefert keine einfachen Antworten auf dieses komplizierte Thema. So wie die Familie Hartmann im Kleinen an dieser Herausforderung wächst und letztlich wieder ihre Mitte finden muss, ergeht es uns vielleicht auch gerade im Großen in unserem Land.

Wir sind sehr froh, dass der Film so gut angenommen wurde. Das war im Vorfeld tatsächlich nicht absehbar. Die Diskussionen waren kontrovers von beiden Seiten und wir wurden von links wie von rechts angegriffen, dass wir diesen Film angegangen sind. Gleichzeitig haben wir für den Film unglaublich viel Zuspruch erhalten. Das hat uns darin bestätigt, dass es der richtige Weg war.

 

Jetzt produzieren Sie die erste deutschsprachige Netflix-Serie Dark. Sie haben einmal im Interview gesagt, dass die Netflix-Serien einen gewissen Innovationsgrad haben. Worum geht es in Ihrer Serie Dark?

 

In Dark von Baran Bo Odar und Jantje Friese geht es um die Geschichten von vier Familien in einer deutschen Kleinstadt. Deren vermeintlich heile Welt wird erschüttert, als plötzlich zwei Kinder auf mysteriöse Weise verschwinden. Die Ermittlungen offenbaren immer mehr dunkle Geheimnisse aller Beteiligten und führen bis zurück ins Jahr 1986, wo die Schicksale der vier Familien auf tragische Weise verknüpft wurden.

 

Wann können die Zuschauer die Serie anschauen?

 

Die Serie startet am 1. Dezember auf Netflix. Ich habe gestern bis drei Uhr morgens den letzten Schnitt von Dark gesehen. Das ist ein gutes Zeichen, wenn man bei seinen eigenen Serien nicht mehr aufhören kann zuzuschauen. Gott sei Dank war unser Kind heute Morgen gnädig und hat uns nicht allzu früh geweckt. Aber ich kann so viel sagen, es wird wirklich unglaublich gut und nicht vergleichbar mit dem, was man bisher in Deutschland gesehen hat.

 

Bei mir ist es ein wirklich großes Problem: Wenn ich anfange die Serien anzuschauen, dann möchte ich die ganze Staffel auf einmal, an einem Tag ansehen.

 

Das ist das Tolle an Netflix, dass man die Möglichkeit hat, alle Folgen sofort hintereinander anzusehen. Ich muss sagen, da ist Dark hervorragend geeignet, weil es nicht sehr einfach fällt, auf die Stop-Taste zu drücken.

 

Sehen Sie sich noch andere Serien an, die Sie selber nicht produziert haben?

 

Ja, selbstverständlich. Man beschäftigt sich mit dem Markt. Die letzte Serie, die ich gesehen habe, war Westworld. Die fand ich wirklich großartig, toll gemachte Serie. Da hat sich in den letzten Jahren viel getan. Das ist ein unglaublich innovatives Feld, wo man einfach noch mal ganz anders erzählen kann, auch in der Tiefe der Charaktere. Zudem kann man den Plot viel komplexer entwickeln, als das bei einem 90-minütigen Film der Fall ist.

 

Und als Zuschauer genießt man die Filme und Serien. Nun, ich kann mir vorstellen, dass es ein ziemlich langer Prozess von der Idee bis zur Verfilmung des Projekts ist. Wenn ich manchmal Vlog-Interviews mache, dauert die Vorbereitungsphase vielleicht Monate von der Idee bis zum Schnitt, obwohl das Interview dann nur 10-15 Minuten lang ist. Das macht mir aber wahnsinnig viel Spaß. Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf mehr, der Prozess oder das Ergebnis, wenn Sie den Film auf der Leinwand sehen?

 

Ich muss zugeben, es macht mir am meisten Spaß, wenn man eine Produktion, die man von der Idee an gemeinsam mit vielen Kreativen und Teammitgliedern zum Leben erweckt hat, mit den Reaktionen des Publikums oder der Zuschauer live miterleben kann. Dafür machen wir die Filme, für die Zuschauer, für das Publikum.

 

Wir würden aber den Beruf nicht machen, wenn uns natürlich der Weg dahin nicht Spaß machen würde. Letztlich ist es der Spaß am Kreieren, und nicht alleine, sondern am Kreieren im Team mit guten kreativen Partnern. Es ist schön, wenn man dieses Element in seinem Beruf hat, dass man wirklich etwas herstellt was da ist, was von Dauer ist. Wir sind sehr dankbar, dass wir diesen Beruf ausüben dürfen.

 

Wie ist es mit der Konkurrenz in Deutschland, muss man hart für die guten Projekte kämpfen oder haben sich alle lieb?

 

Beides. Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Wettbewerbern. Die Tatsache, dass man sich mit Wettbewerbern auseinandersetzen muss, ist nichts, was nur in der Filmbranche zutrifft. Das ist in jeder Branche so, die begehrt und attraktiv ist. Solange man das sportlich und motivierend sieht, ist das eine tolle Sache. Letztendlich hilft Wettbewerb dabei, dass man immer wach bleibt, dass man immer innovationsfähig bleibt, dass man immer versucht, besonders gut zu sein. Wenn wir keine Konkurrenten hätten, dann wären unsere Filme wahrscheinlich nicht ganz so gut.

 

Sie kooperieren immer wieder mit den Regisseuren Simon Verhoeven oder mit Baran bo Odar von Who am I, mit dem sie auch die Netflix-Serie produzieren. Basiert das alles auf einer Freundschaftsebene oder stehen manche Regisseure bei Ihnen unter Vertrag?

 

Nein, das ist genau der Punkt. Wir als Produzenten leben davon, dass wir ein Netzwerk von Partnern und von Kreativen haben, mit denen wir vertrauensvoll zusammen arbeiten. Sie kommen immer wieder zu uns, auch mit ihren neuen Ideen. Das kann man vertraglich nicht herleiten. Es lebt davon, dass man gegenseitig gute Erfahrungen miteinander gemacht hat.

 

Sie produzieren eine achtteilige Serie für Sky Deutschland. Mir hat Herr Dr. Schäfer, der Geschäftsführer der FFF Bayern, gesagt, dass sie das Projekt mit 700.000 Euro fördern. Er hat dazu gesagt, dass der FFF Bayern die Serie nur dann fördert, wenn es etwas Innovatives und etwas Besonderes ist. Was ist bei Ihren Serien das Besondere?

 

Erstmal ist es der Partner, der besonders innovativ ist, der Pay-TV-Sender Sky. Sky ist im Ausland schon lange Zeit erfolgreich mit fiktionalen Eigenproduktionen. Hier, in Deutschland, war Sky bislang vor allem durch sein Engagement im Sportbereich erfolgreich, aber Fiction nimmt immer einen größeren Stellenwert ein. Jetzt geht der Sender in eine eigene exklusive Produktion. Wir sind glücklich, in der ersten Welle eine der Produktionsfirmen zu sein, in die Sky das Vertrauen setzt.

 

Herr Berg hat gesagt, dass Sie in Deutschland ein Schritt nach dem anderen gehen möchten.Welche neuen Projekte sind noch bei Ihnen am Start?

 

Es wird den großen Kinofilm Werk ohne Autor geben, mit Florian Henckel von Donnersmarck, mit dem wir den Film Das Leben der Anderen gemacht haben. Der neue Film wird nächstes Jahr ins Kino kommen. Außerdem wird unsere viel beachtete Serie Vier Blocks, die wir für den Pay-TV Sender Turner realisiert haben, fortgesetzt. Darauf freuen wir uns besonders. Jetzt blicken wir natürlich erstmal auf den Start von Dark. Das ist unser nächstes großes Release-Thema.

 

 

von Sophia Katamadze

Bildmaterial: W&B Filmproduktion

Dieser Beitrag erschien zuerst im Cazeblog  05.12.17

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Die Welt des Kinos – ein Interview mit Steven Gätjen

Steven Gätjen ist Moderator, Produzent, Sprecher und Kinoexperte. Wir haben mit ihm über die Welt des Kinos gesprochen.

 

Herr Gätjen, künftig wollen die Filmstudios die Filme schon siebzehn Tage nach dem Filmstart bei Amazon Video und anderen Anbietern streamen. Die Preise sollen zwischen 30 und 50 Dollar liegen. Würden Sie dann die Filme immer noch im Kino anschauen, oder wäre ein solches Angebot für Sie auch eine Alternative?

Es geht beim ins Kino gehen ja nicht einfach nur ums Filme schauen, sondern „erleben“. Man guckt gemeinsam: gruselt, lacht, freut, weint gemeinsam. Das kann man alleine zu Hause eher schwerer. Aber klar ist das ein Angebot, das eine weitere interessante Alternative bietet.

Es werden sehr viele Bestsellerbücher verfilmt. Gibt es ein Buch, dessen Verfilmung Sie gerne sehen würden?

Ich würde mich sehr freuen, wenn endlich Frank Schätzings „Der Schwarm“ den Weg auf die große Leinwand finden würde. Die Rechte sind ja angeblich schon lange verkauft und Uma Thurman gehörte mal zum Cast, aber passiert ist bisher leider noch nichts..

Sie waren bei der Sendung „Mensch Otto“ dabei, wo Sie uns Ihre Lieblingssongs verraten haben. Haben Sie auch einen Lieblings-Soundtrack?

’Top Gun’, der ist so schön cheesy, aber auch so mitreißend oder ‚Breakfast Club’, weil der Film, die Atmosphäre und die ganze Story einfach genial sind.

Sie haben mit zahlreichen Stars Interviews geführt. Es wird die Meinung vertreten, dass erfolgreiche Menschen lockerer und entspannter sind. Wie haben Sie die Weltstars erlebt?

Das trifft in den meisten Fällen absolut zu. Wie hat mal jemand gesagt: es ist ein bisschen so wie bei Hunden. Die Großen sind gemütlich und träge und die Kleinen zickig und bissig. Bei den großen Stars merkt man einfach, sie wissen warum sie da oben stehen, nicht nur weil sie hart dafür gearbeitet haben, sondern auch weil die Fans sie auf ihrem Weg unterstützt haben. Tom Cruise, Will Smith und die meisten dieses Kalibers nehmen sich an den Teppichen dieser Welt viel Zeit und das finde ich bewundernswert und richtig.

Larry King hat einmal gesagt, dass, wenn er mit Autoren über ihre neuen Bücher gesprochen hat, er mit Absicht diese Bücher vor dem Interview nie gelesen hat. Gab es bei Ihnen Momente, wo Sie vielleicht aufgrund von Zeitmangel keinen Film vor dem Interview mit den Schauspielern angeschaut haben? Wenn ja, wie haben Sie das ganze Interview gemeistert?

Ja, diese Situationen hat es leider schon gegeben, auch wenn das komplett gegen meine Arbeitsethik spricht. In Interviews geht es darum, zuzuhören und nicht einfach Fragen rauszuschießen. Ich habe mich konzentriert und vermieden, eine Wertung des Films zu geben, oder so zu tun, als würde ich alles wissen.

Es ist sicher nicht einfach, während der Promotour dem Schauspieler, der schon vielmals zu dem Film befragt worden ist, eine interessante Frage zu stellen, die für ihn und für die Zuschauer gleichermaßen neu und interessant ist. Wie soll der Journalist in solchen Fällen beim Interview vorgehen? Ich kann mich daran erinnern, dass Matthias Schweighofer und Florian David Fitz während der Promotour Kinobesuchern ein Film-Plakat schenken wollten, mit Fragen darauf, die sie während der Promotour noch nicht von den Journalisten gehört hatten.

Das ist sicherlich ganz lustig und auch nicht ganz ernst gemeint. Das Verhältnis zwischen Filmschaffenden und Filmjournalisten basiert auf dem „Give and take“ Prinzip. Wir brauchen etwas und die brauchen etwas. Es gibt einfach Fragen, um die man nicht herumkommt. Die Frage ist nur wie man sie stellt und vor allen Dingen, was anschließend passiert. In einem interessierten Gespräch ergibt sich immer etwas Neues und Spannendes. Beide Seiten müssen aber akzeptieren, dass es immer die klassischen Fragen gibt und geben darf. Wie gesagt gut zuhören ist der Schlüssel zum Erfolg.

Sie moderieren unter anderem auch die Filmpremieren. In der letzten Zeit sind die Besucherzahlen in den Kinos bei den deutschen Filmen gestiegen. Hat das Ihrer Meinung nach mit besseren Drehbüchern, mit besseren Schauspielern oder mit einer besseren Vermarktung der Filme zu tun?

Hohe Qualität gab es schon immer im deutschen Kino. Wir schaffen es nur endlich mal eine größere Bandbreite an Themen ins Kino zu bringen und uns mehr zu trauen. Das ist ganz wichtig. Wir haben so unglaublich viele gute Leute und denen muss man eine Chance geben.

In diesem Jahr haben Sie die Stars erneut bei der Oscar-Verleihung auf dem roten Teppich interviewt. Wie würden Sie die Oscar-Nacht in drei Worten beschreiben?

Überraschend, bunt, spannend.

Als Leonardo DiCaprio für den Oscar für seine Rolle im Film „The Wolf of Wallstreet“ nominiert wurde, haben Sie damals gesagt, dass er den Oscar verdient, aber Matthew McConaughey würde ihn bekommen. Sie hatten Recht. Ist es heutzutage schwieriger, einen Oscar zu gewinnen als früher? Man muss ja manchmal neben der schauspielerischen Leistung auch eine körperliche Leistung erbringen.

Ich glaube es ist nicht schwieriger geworden, aber es gibt für mich ein paar typische Merkmale für eine Oscar ausgezeichnete Darbietung. Leo war wie eine Naturgewalt, aber der Film war angesetzt zwischen Komödie und Drama. Leo ist in der Figur verschwunden, ohne sein Äußeres zu verändern. Matthew ist das ebenfalls, aber er hat eine physische Verwandlung zusätzlich noch durchgemacht und unglaublich an Gewicht verloren, diese Selbstkasteiung beeindruckt die Mitglieder der Academy immer ungemein. Hübsch wird hässlich (Charlize Theron), Mann wird Frau oder Frau wird Mann, oder eben dick oder dünn. Die Leistungen sind trotzdem bemerkenswert, in dem Jahr war aber Leo für mich eindeutig besser.

Werden Sie irgendwann als Schauspieler vor der Kamera stehen?

Ich habe schon ein paarmal kleine Sachen gemacht, würde es gerne in Zukunft aber nochmal häufiger versuchen. Mal schauen was passiert.

 

von Sophia Katamadze

Foto: Yannick Wolff

Dieser Beitrag erschien zuerst im Cazeblog 11.05.17

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Interview mit Ludger Pistor

 

Vor einiger Zeit habe ich mir den Film die „Frau in Gold“  angesehen. Der US-amerikanisch-britische Film hat mich sehr beeindruckt. Der Film erzählt die wahre Geschichte einer Frau, Maria Altmann, gespielt von der Oscar-Preisträgerin Helen Mirren. Sie stritt und kämpfte jahrelang mit der Restitutionskommission der österreichischen Regierung um das Bild „Goldene Adele“ von Gustav Klimt, das ihrer Familie gehörte, zurück zu bekommen. Wie die Geschichte abläuft, können sie im Kino verfolgen.

Ich  habe mit dem Schauspieler Ludger Pistor, Hollywoods „Mr. Germany“, gesprochen. Er spielt ebenfalls im Film. Eigentlich wollte ich mit ihm nur über „Die Frau in Gold“ sprechen, aber am Ende ging die Unterhaltung nicht nur um den Film, sondern auch allgemein um das Filmgeschäft in Deutschland und in Hollywood.

Herr Pistor, ich habe mir den Film „Die Frau in Gold“,  von Simon Curtis angesehen. Der Film hat mir sehr gut gefallen. In der Hauptrolle spielt die britische Schauspielerin Helen Mirren, in der Rolle des Rudolf Wran spielen Sie. Wie sind Sie zu der Rolle gekommen?

Das lief alles über die englische Agentur, die ich in London habe. Sie suchten einen Schauspieler in London, der diese Rolle übernehmen könnte, und so bin ich angesprochen worden.

Im Film spielen Sie Rudolph Wran, können Sie uns ein bisschen über diesen Mann erzählen?

Der Dr. Rudolph Wran war damals  der Leiter der Restitutionskommission. Ich kenne den Mann nicht persönlich. Seine Lebensgeschichte ist auch nicht im Internet verfügbar. Da könnte ich für die Rolle wenig recherchieren. Ich habe nur auf Youtube ein Video gefunden, wo er gesprochen hat.

Welche Methode benutzen Sie, um in eine Rolle hineinzuschlüpfen, Stanislavski oder Strasberg?

Es wird sehr viel über die Methoden gesprochen. Ich habe keine Methode. Ich arbeite ohne Methode. Ich hatte einen sehr bekannten Lehrer, Herbert Berghof. Nach dieser Methode, mit der er uns  unterrichtet hat, wenn man es Methode nennen kann, arbeite ich. Wollen Sie wissen wie es geht?

Ja, natürlich…

Das ist die Methode „I am, I want, I do“ ich bin, ich will, ich tue. Stanislavki, so wie ich das verstehe, hat mehrere Schaffensperioden gehabt. Alles basiert auf Stanislavski. Stanislavski’s Methode hatte mehrere Phasen: Es gab frühere Stanislavski-Methoden und spätere.Strasberg hat auch nach Stanislavski gearbeitet und Herbert Berghof, vermute ich, auch. Ich glaube, die Strasberg-Methode arbeitet nach der früheren Stanislavski-Methode und Herbert Berghof nach der späteren Stanislavski-Methode, und danach arbeite ich auch.

Es gibt viele nationale und international Schauspieler, die keine schauspielerische Ausbildung haben. Wie Sie schon erwähnt haben, haben Sie unter anderem zwei Jahre am Herbert-Berghof-Studio in New-York-City studiert. Brauchen Schauspieler eine richtige Ausbildung?

Ich halte das für ein absolutes Gerücht, dass manche große internationale Schauspieler ohne schaupielerische Ausbildung Karriere gemacht haben. Ihnen wird gerne nachgesagt, es ist toll zu sagen „Ich muss überhaupt nichts üben, ich muss überhaupt nichts lernen“. Das ist ein Blödsinn. Wenn er nicht auf einer Schaupielschule war, dann hat er bestimmt einen privaten Coach gehabt, der ihm geholfen hat. Ein Schauspieler, der überhaupt keine Ausbildung hat, den gibt es nicht. In dieser Branche wird viel erzählt und viel gelogen. Solche Geschichten kommen unheimlich gut in der Presse an.

Und wenn man bekannt sein will, dann sind Marketing Sachen auch sehr wichtig…

Ja, natürlich ist das alles Marketing.

Sie werden Hollywoods „Mr. Germany“ genannt. Sie haben in Filmen gespielt wie „Inglourious Bastards“, „X-Men“, „Erste Entscheidung“, „Casino Royale“  oder „Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt“. Besteht ein großer Unterschied, das Honorar ausgenommen, zwischen dem US-amerikanischen und dem deutschen Filmgeschäft?

Das ist so, als ob man einen kleinen Wagen mit dem Luxus-Wagen vergleicht. Da ist einfach viel mehr Geld, weil die Amerikaner die ganze Welt mit Unterhaltung versorgen. Deswegen haben sie natürlich ein ganz anderes Budget. Und das heißt, wenn man für das amerikanische Kino dreht, kann man sich viel sorgfältigere Arbeit leisten und länger an einer Szene arbeiten. Und es liegt nur am Geld. Wenn für  das deutsche Kino gedreht wird, werden vier, fünf Minuten am Tag gedreht, die man effektiv danach im Kino sieht. Und in Amerika drehen sie vielleicht nur eine oder sogar eine halbe Minute am Tag, weil sie ein großes Budget haben. Sie haben viel mehr Geld. Das ich ein großer Unterschied. Das merkt man, wenn man sieht, wie viele Leute an dem Film arbeiten, wie viele Abteilungen sie haben.  Zum Beispiel beim Dreh des Films Inglourious Bastards mit Quentin Tarantino in Paris,  da werden zwanzig Oldtimer-Autos durch abgesperrte Straßen mehrmals links und rechts hingefahren für die Szene, die man nur durch einen kleinen Fensterspalt sieht. Das ist ein Riesenaufwand, das kann man in Deutschland gar nicht machen, weil nur allein der Hintergrund, den man sieht, ein Vermögen kostet. Das kann man nur machen wenn man viel Geld hat.

Im Film „Die Frau in Gold“ sehen wir Sie in Szenen in Wien und auch in Los-Angeles. Wo wurde der Film gedreht?

Der Film ist hauptsächlich  in Europa entstanden: In England und in Österreich, in Wien. Es wurden auch ein paar Szenen tatsächlich in Los-Angeles gedreht.

Ich habe das Interview mit Frau Bettina Reitz gemacht. Sie ist die deutsche Produzentin und jetzt die Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks. Sie hat auch gesagt, dass in Hollywood sehr viel Geld in die Filme investiert wird. Sie hat auch gemeint, dass die Sprache für den Erfolg des Films auf dem internationalen Markt eine sehr große Rolle spielt. Spielt tatsächlich die Sprache für die internationale Vermarktung des Films eine sehr wichtige Rolle?

Ja, der englischsprachige Markt ist natürlich groß. Obwohl der deutschsprachige Markt auch sehr groß ist. Es weiß keiner, aber wir in Deutschland sind zur Zeit der größte Markt nach den USA.

Wirklich? Das wusste ich nicht…

Ja, der zweitgrößte Staat beim Umsatz  von Filmen ist Deutschland.  Hier wohnen achtzig Millionen Menschen. Es kommen noch ein paar Millionen Menschen aus anderen deutschsprachigen Ländern hinzu. Indien ist die zweitgrößte Filmindustrie der Welt, weil dort viele Filme produziert werden, vielleicht sogar mehr als in den USA. In Indien werden zwar mehr  Kinokarten verkauft, aber die Karten sind viel billiger.

Wenn wir noch einmal die US-amerikanische und die deutsche Filmindustrie vergleichen: Wie schwer ist es, in Hollywood eine Rolle zu bekommen?

Es ist überall schwierig, die Rollen zu bekommen. Aber vielleicht ist es in den USA schwieriger, weil dort noch mehr Leute sind, die  eine Rolle bekommen möchten.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie viele interessante Rollen gespielt. Welche waren für Sie als Schauspieler die interessantesten?

Das war die Rolle als Kommissar Klaus Krapp in den Fernsehserien Balko. Das lief zehn Jahre lang auf RTL zwischen 1995 und 2005. Das war meine allerwichtigste Rolle.

Die Serien kenne ich leider nicht, weil ich aus Georgien komme, und ich erst seit 2009 in Deutschland bin, aber ich werde mir ein paar Serien unbedingt anschauen.

Das freut mich.

Und haben Sie so eine Traumrolle, die Sie gerne gespielt hätten?

So eine Traumrolle habe ich ehrlich gesagt nicht, weil für mich als Schauspieler jede Rolle interessant ist, vor allem aber das Spielen der Rolle.

Haben Sie dann vielleicht einen Lieblingsschauspieler?

Das ist Audrey Hepburn.

Wirklich? Meine auch, sie ist so toll…

Gefällt Ihnen also auch?

Ja und nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Mensch, denn sie war die Sonderbotschafterin der Unicef.

Außerdem gefallen mir auch die Schauspieler Stan Laurel und Oliver Hardy. Es war ein US-amerikanisches Komiker-Duo, in Deutschland waren sie unter den Namen Dick und Doof bekannt.

Das werde ich auch bestimmt googeln. Was würden wir ohne Google machen!

Ja heute haben wir Google. Googeln Sie mal, die sind schon lange verstorben, aber die beiden sind die genialsten Komiker.

Vielen Dank für das Gespräch. Ich habe viel Neues von Ihnen über das Filmgeschäft erfahren.  Ich danke Ihnen dafür.

Danke Ihnen auch.

Text: Sophia Katamadze
Foto: Jeanne Degraa

Dieser Beitrag erschien zuerst im Cazeblog 01.07.15

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