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Jugend Ohne Gott-leben oder nur funktionieren?

Letzte Woche war ich den Film „Jugend ohne Gott“ im Kino angeschaut. Die Constantin Film hat mit der  Verfilmung des Romans des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth die düstere Vision unserer zukünftigen Leistungsgesellschaft in die deutschen Kinos gebracht, eine Zukunft, in der die Menschen nur noch „Gewinner“  und „Verlierer“ sind, und in der unser ganzes Leben digital abläuft.

Der Film erzählt von  Schülern der Abschlussklasse des Hochleistungs-Camps, in dem es darum geht, den Studienplatz für die die renommierte Rowald-Universität zu gewinnen. Das bedeutet Konkurrenzkampf, Spitzenleistung, Elite-Bewusstsein. Zach, gespielt von Jannis Niewöhner, dessen Intelligenz und Leistungspotential  überdurchschnittlich sind, will nicht mitmachen.

Ich habe selbst in Georgien eine elitäre Schule absolviert, wo nur Kinder von  einflussreichen Familien auf diese Schule durften. Da mein Vater damals der zweite Mann bei der Sparkasse von Georgien  war, waren die Türen für uns weit offen.eine Familie  spielt seit Generationen Bildung eine große Rolle/ In meiner Familie wurde seit Generationen die Bildung sehr geschätzt. Meine Eltern wollten mich deshalb auf die Schule mit dem guten Ruf  bringen. Außerdem, war man mit diesem Schulabschluss im Lebenslauf Teil der Elite der Gesellschaft. Wie Titus im Film sagt,  führt diese Elite die Gesellschaft.

Als Kind war ich sehr kommunikativ, und  am ersten Schultag kannte ich umgehend fast alle Kinder in meiner Klasse. Ich habe sehr schnell die Freunde gefunden, mit denen ich die Pausen verbracht habe. Ich habe erst später gemerkt, dass das, was ich hatte, für andere Kinder nicht selbstverständlich war. Dort  waren auch Kinder, die sich nicht wohl gefühlt haben. Meine Mutter hat mich sogar gebeten, mit ein paar Kindern zu  sprechen: die Mutter von einem Mädchen hat bei einer Eltern-Versammlung geweint, weil die Kinder mit ihrer Tochter kein Wort gesprochen haben. In den höheren Klassen habe ich versucht, solchen Schülern zu helfen. Aber es war nicht einfach, weil sie selbst glaubten, sie seien schlechter als andere. Wie der Lehrer im Film erklärt, so wurde auch bei uns jede Schwäche gnadenlos bestraft. Es gab auch schwere Fälle von Mobbing seitens der Schüler.

Was haben unsere Lehrer gemacht? Es war wie im Film: Die Lehrer haben  ganz genau gesehen, was ablief, und trotzdem machten sie mit. Sie waren immer mit anderen Sachen beschäftigt, z. B. welche  elitäre Gruppe Recht hatte, wenn es Streit gab. Ihnen war auch bewusst, dass, wenn etwas  schief lief, wenn die Eltern mit der Leistung der Lehrer nicht zufrieden waren, dann konnten sie ihren Job verlieren. Eine der beliebtesten Lehrerinnen musste unsere Klasse verlassen, weil sie alle Kinder, egal aus welcher Familie, gleich behandelte. Wie im Film, so waren die Eltern bei uns ein sehr wichtiger Bestanteil der Schule und des Schulalltags. Jedes Jahr beim Spenden-Marathon für die Schule wurden sie zur Kasse gebeten.

Als ich klein war, war für mich wichtig, den Platz vor der Tür zu verteidigen, den wir einer anderen Gruppe  abgejagt hatten. Auch die Noten waren für mich, für meine Familie  und meine Freunde wichtig. Wenn du zur Elite der Elite gehören wolltest, musste dein Foto von der 3. bis zur 11. Klasse am Aushang als Leistungsbeweis angeschlagen sein. Genau da habe ich als Kind schon gemerkt, dass ältere Menschen auch lügen und dich unrecht behandeln können. Da hat meine Kindheit aufgehört, und der Kampf ums Überleben begann. Viele haben nicht durchgehalten und haben die Schule gewechselt. Aber ich wollte selber nicht weg. Ich wollte nicht zu den Verlierern gehören.

langsam war mir dieses ewige Gruppenstreiten und der Kampf um nichts wertvolles, zu sinnlos.Da ich immer sehr neugierig war, hatte ich neben der Schule noch ältere Freunde, mit denen ich mich gut verstanden habe. Ich konnte von Ihnen viel lernen. Ich war schon erwachsen, ich hatte plötzlich andere Ziele und andere Interessen. Ich habe gemerkt,  dass man nicht immer mitmachen musste. Ich habe sehr oft meine eigene Meinung geäußert und meinen Charakter gezeigt. Das fanden die Leute in der Schule sogar gut. Plötzlich war ich diejenige, dessen Meinung  gezählt hat und der wichtig für meine Mitschüler in der Zeit der Pubertät und des Erwachsenwerdens war. Als uns unser Direktor unterrichtete, habe ich mit ihm sehr oft über gesellschaftliche Themen diskutiert. Das fand er gut. Er hat mich sogar nach dem zweiten Unterricht gefragt: Wo waren Sie so lange? Warum habe ich Sie vorher nicht gekannt?

Manchmal haben wir Angst, etwas zu unternehmen oder etwas sagen, weil wir die Reaktion der anderen  fürchten. Wir vergessen aber, dass wir die Persönlichkeiten sind und dass wir unsere eigene Meinung haben, die wir frei äußern können. Jede Meinung zählt, sogar die Meinung derjenigen, die in der Universitäts-Bibliothek die Bücher in anderen Regale verstecken, in der Hoffnung, dass die Kommilitonen sie nicht finden und deshalb am nächsten Tag die eigene Note besser ist als die der anderen. Auch die Meinung derjenigen, die die besten Freundinnen auf der Welt sind, aber vor den Prüfungen einander nicht einmal „Hallo“ sagen, sich in entfernte Bereiche des Prüfungsraumes setzen und nach den Prüfungen wieder die besten Freunde sind. Wir leiden alle unter Leistungsdruck, besser zu sein als andere. Manche mehr, manche weniger.

Aber wozu es führen kann, wenn wir leben um zu funktionieren und weggucken, wenn andere nicht durchhalten, das können wir im Film sehen.

Autorin: Sophia Katamadze

Bild- und Videomaterial: Constantin Film Presseservice

Dieser Beitrag erschien zuerst im onlinezugast.de 19.10.17